Mag. (FH) Benjamin Schilbach war der wissenschaftliche Leiter der Glas Marte GmbH für das Forschungsprojekt „Splitterstrukturierte Glasoberflächen ICE-H“, welches den ACR Kooperationspreis 2015 gewann.
Eisblumenglas industriell gefertigt
Splitterstrukturiertes Glas wird gerne als Designelement eingesetzt. Bis dato war nicht optimal steuerbar, wie das Glas springen wird, und die Technik konnte für große glatte Flächen wie Fassaden nur eingeschränkt eingesetzt werden. Glas Marte aus Bregenz und das ACR – Forschungsinstitut V-Research entwickelten ein Produktionsverfahren, wie man splitterstrukturiertes Glas im industriellen Maßstab herstellen kann – mit kontrollierter Splitterung und gleichbleibender Qualität. Das weiter entwickelte Produkt wird bereits erfolgreich am Markt verkauft. Für die Innovation wurden Glas Marte und V-Research jetzt mit dem ACR Kooperationspreis ausgezeichnet.
Wien, 8.Oktober2015. Eisblumenglas wird seit dem 19. Jahrhundert hergestellt. Um die Jahrhundertwende verwendete man splitterstrukturiertes Glas gerne in Architektur und Kunsthandwerk – gerade erlebt es eine Renaissance, allerdings für große Flächen mit regelmäßigen Strukturen und lichtstreuender Wirkung. Traditionell wird zur Herstellung Knochenleim verwendet, der auf das aufgeraute Glas aufgetragen wird. Beim Trocknen entstehen so starke adhäsive Kräfte, dass Glassplitter aus der Oberfläche gerissen werden – die typische Struktur, die an Eisblumen erinnert, entsteht. Glas Marte, ein mittelständisches Unternehmen für Glasbearbeitung und Glasverarbeitung mit Sitz in Bregenz, das seit 1930 besteht, wollte diese Technik verbessern und wandte sich an den Forschungspartner V-Research.
„Der Prozess war bis dato nicht ausreichend kontrollierbar“, erklärt Florian Ausserer von V-Research.“
Welche Struktur genau entsteht, hängt von vielen Parametern ab. Wie ist der Leim? Wie ist das Glas? Wie schnell trocknet der Leim? Wie sind Temperatur und Luftfeuchte? Im Projekt haben wir eine Vielzahl von Faktoren identifiziert, die einander beeinflussen.“ V-Research entschlüsselte den komplexen Entstehungsprozess von splitterstrukturiertem Glas und analysierte die Einflussparameter. Das passierte in enger Abstimmung mit Glas Marte.
Ab einem bestimmten Zeitpunkt wurde die Forschung zu Glas Marte übersiedelt. Somit konnte die Firma bereits während des laufenden Projekts die Zwischenergebnisse in die Produktion einfließen lassen. „Die Laborexperimente waren sehr aufwendig. Es wurde der gesamte Herstellprozess im Labor nachgestellt und wir arbeiteten mit großen Glasflächen von 65×50 cm“, so Ausserer. „Unser Ziel war es, splitterstrukturierte Glasoberflächen industriell in Serie herzustellen und die Strukturbildung zu kontrollieren. Wir sind jetzt die ersten am Markt, die das umgesetzt haben. Außerdem wollten wir Knochenleim als Grundprodukt substituieren. Jetzt arbeiten wir nicht mehr mit klassischem Knochenleim, sondern mit technisch aufbereiteten Produkten“, so Bernhard Feigl von Glas Marte.
Hinter der Innovation stehen zweieinhalb Jahre Forschung und Entwicklung und ein Projektvolumen von knapp 500.000 Euro, davon die Hälfte gefördert (FFG-Basisprogramm). Inzwischen ist zum Beispiel das Schlesische Museum in Katowice in Polen mit ICE-H® Glas verbaut worden. Nachgefragt werden etwa Fassaden, Trennwände oder Duschkabinen – sowohl von Industriekunden als auch von Privatkunden. Der Exportanteil beträgt 75 Prozent. „Die Produktionskosten wurden dank der gezielten Prozesssteuerung um 40 Prozent gesenkt und der Ausschuss wurde erheblich reduziert.
Die Pläne für die nächste Ausbaustufe einer teilautomatisierten Produktionsanlage liegen bereits vor“, so Feigl weiter. „Mit unserer Forschungs- und Entwicklungsarbeit verfolgen wir das Ziel, unseren Auftraggebern möglichst große Vorteile im Wettbewerb zu verschaffen. Das Projekt mit der Firma Glas Marte ist ein gutes Beispiel dafür“, sagt Vaheh Khachatouri, Geschäftsführer von V-Research. Für die Auszeichnung mit dem ACR Kooperationspreis sprach aus Sicht der Jury auch der Wissenstransfer vom Forschungsinstitut zum Unternehmen. Der Wert der kooperativen Forschung werde mit der Innovation sehr anschaulich.
www.glasmarte.at
www.v-research.at
Das Schlesische Museum in Katowice in Polen ist mit ICE-H® Glas verbaut worden. Fotocredit: Glas Marte
Splitterstrukturierte Glasoberfläche. Fotocredit: V-Research
Rückfragen Emilie Brandl
Öffentlichkeitsarbeit
ACR–Austrian Cooperative Research
Haus der Forschung, Sensengasse 1, 1090 Wien
Tel. 01 219 85 73-12, brandl@acr.ac.at
Die Glas Marte GmbH wurde 1930 gegründet und hat inzwischen fast 250 Beschäftigte und einen Umsatz von rund 35 Mio. Euro im Jahr. Der Exportanteil steigt und liegt aktuell bei 75 Prozent. Unternehmensgegenstand ist Glasbearbeitung und Glasverarbeitung.
www.glasmarte.at
V-Research hat seinen Sitz in Dornbirn und wurde 2004 gegründet. Das Forschungsinstitut hat 22 Beschäftigte und ist auf zwei Themen spezialisiert: Tribologie und Design Automation. V Research ist seit 2013 ACR Mitglied.
www.v-research.at
Die ACR – Austrian Cooperative Research ist Dachverband und Interessenvertretung für kooperative Forschungsinstitute. Forschung, Entwicklung und Innovation ist das gemeinsame Interesse der ACR-Institute. Dazu kommen Prüfen und Messen sowie Technologie- und Wissenstransfer. Alleinstellungsmerkmal: ACR-Institute erbringen über zwei Drittel ihrer Leistungen für kleine und mittlere Unternehmen. Damit trägt die ACR dazu bei, dass Innovation auch in mittelständischen Unternehmen präsent ist und hier Hürden beim Zugang zu Forschung und Entwicklung fallen. Gleichzeitig sind ACR-Institute wichtige Schnittstellen von Wissenschaft und Großbetrieben (national und international) in Richtung KMU.
Jedes Jahr vergibt die ACR zusammen mit dem Wirtschaftsministerium den ACR Kooperationspreis für eine Innovation von einem KMU mit einem ACR-Institut.